Greenpeace-Gleitschirm landet in München im EM-Stadion

2022-08-22 00:01:34 By : Ms. Bonny Wen

Eigentlich wollte Greenpeace «nur» gegen den DFB- und EM-Sponsor VW protestieren. Die Aktion vor dem deutschen EM-Auftakt endete aber fast in einem Fiasko – und wird Folgen haben.

Das erste Eigentor in München schoss nicht Mats Hummels. Es war die Umweltorganisation Greenpeace, deren missglückte Protestaktion vor dem EM-Auftakt der Fussball-Nationalmannschaft beinahe wesentlich tragischere Folgen als der Fauxpas des deutschen Abwehrchefs gehabt hätte. Nur mit viel Glück passierte bei der Notlandung eines Motorgleitschirmfliegers nichts Schlimmeres. Und obwohl Greenpeace hinterher zu Kreuze kroch, hat der Vorfall Konsequenzen - juristisch, politisch sowie mit Blick auf die Sicherheit.

Das Polizeipräsidium München teilte am Mittwoch mit, dass gegen den festgenommenen Piloten aus Pforzheim wegen «eines Verstosses gegen das Luftverkehrsgesetz, einer gefährlichen Körperverletzung, einer Gefährdung des Luftverkehrs und eines Hausfriedensbruchs» ermittelt wird. Zudem gerät Greenpeace als Organisation ins Visier. Schliesslich führt das für «politisch motivierte Organisationsdelikte» zuständige Kommissariat 43 die weiteren Untersuchungen.

Als Folge des Vorfalls wird die Polizei ausserdem die Luftüberwachung bei der EM mit Helikoptern intensivieren. Bei der Aktion des 38-Jährigen, der mittlerweile wieder auf freien Fuss gesetzt wurde, erlitten zwei Männer Verletzungen. Beide konnten das Krankenhaus mittlerweile wieder verlassen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte umgehend Konsequenzen für den Aktivisten an. «Das wird genau behandelt, das sind klare Verstösse», sagte der CSU-Politiker im BR: «Sowas ist kein Kavaliersdelikt.» Auch das Polizeipräsidium München betonte, «dass es keinerlei Verständnis für solche unverantwortlichen Aktionen gibt, bei denen eine erhebliche Gefährdung von Menschenleben in Kauf genommen wird».

Der Flieger war am Dienstagabend unmittelbar vor dem Anpfiff der Partie gegen Frankreich (0:1) nur mit Mühe heil auf dem Rasen der Arena gelandet. Eigentlich wollte der Pilot laut Greenpeace «lediglich» über das Stadion fliegen und einen gelben Ballon mit dem aufgedruckten Motto «Kick out Oil» auf den Rasen herunterlassen. Aufgrund eines technischen Problems verlor der Schirm aber an Höhe, streifte ein Drahtseil der Dachkonstruktion und musste notlanden.

Das Leben des Piloten war offenbar auch aus einem anderen Grund massiv gefährdet. «Man hat aufgrund der Beschriftung ‹Greenpeace› davon abgesehen, dass Scharfschützen hier eingegriffen haben», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann der Bild-Zeitung: «Wenn die Polizei zu einer anderen Einschätzung gekommen wäre, dass es sich um einen Terror-Anschlag handeln könnte, dann hätte der Flieger die Aktion möglicherweise mit seinem Leben bezahlen müssen.»

Der gegen den EM-Sponsor VW gerichtete Protest, der den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren anprangern sollte, geriet durch die Beinahe-Tragödie in den Hintergrund. Zudem machte sich Greenpeace angreifbar - was von einem prominenten Kritiker auch sofort ausgenutzt wurde. «Nach dem Vorfall von gestern mit einer ernsthaften Gefährdung der Stadionbesucher wird es Zeit, die Gemeinnützigkeit von Greenpeace zu überprüfen», twitterte CDU-Grösse Friedrich Merz.

Greenpeace bat am Mittwoch noch einmal um Verzeihung. «Wir sind gerade dabei, das aufzuklären, arbeiten mit allen zusammen, und stehen dafür auch gerade», sagte ein Sprecher: «Wir möchten noch einmal betonen, dass uns das sehr leid tut und wir möchten bei den beiden Personen, die zu Schaden gekommen sind, um Entschuldigung bitten.»

Die Greenpeace-Entschuldigung stiess allerdings bei den Beteiligten auf taube Ohren. Jens Grittner, Sprecher des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), verurteilte die Aktion. «Derjenige hat nicht nur sich und andere gefährdet und verletzt», sagte Grittner: «Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Das hätte weitaus schlimmer ausgehen können.» Die Europäische Fussball-Union (Uefa) bezeichnete das Ganze als «rücksichtslos» und «gefährlich». (sid)